Obst braucht drei Dinge für gutes Gedeihen: Den richtigen Standort, gute Bodenvorbereitung und den richtigen Schnitt. Besonders letzteres stellt Anfänger vor scheinbar unlösbare Probleme. Dabei ist anscheinend die Frage nach dem Sinn und Zweck des Obstbaumschnitts die größte Hürde. Gerade frisch gebackene Biogärtner wollen gern der Natur ihren Lauf lassen anstatt den armem Baum mit der Schere zu verletzen. Nun wird keiner gezwungen, seinen Obstbaum zu schneiden. Allerdings sollte die Entscheidung nicht zu schneiden bewusst getroffen werden, nicht aus Unwissenheit. Eine gute Entscheidungshilfe ist es, sich einmal klar zu machen was der Baum in der Natur erreichen will:
Wir als Gärtner haben dagegen andere Wünsche:
Wer also keinen Wert auf die Ernte legt und kein Problem mit einem großen Baum hat, der kann gleich zum Spaten greifen und pflanzen. Alle anderen sollten sich unbedingt vorab informieren. Bereits beim Kauf kann man viel falsch machen. Außerdem ist ein guter Pflanzschnitt entscheidend für den späteren Ernteerfolg. Die größten Schwierigkeiten lauern also ganz am Anfang! Der Obstbaumschnitt lässt sich mit Büchern gut erlernen. Hier meine Lieblingsbücher.
Obstbäume werden in der Regel veredelt, d.h., der Baum wird aus zwei Teilen zusammengesetzt: Die Wurzel stammt normalerweise von eine robusten Wildsorte, den oberirdischen Teil des Baumes bildet eine empfindliche Züchtung. Die robuste Wurzel sorgt nicht nur für Gesundheit, sie bestimmt auch die Wachstumsgeschwindigkeit und damit die Größe des Baumes. Die Wurzel kann so der gleichen Obstsorte unterschiedliche Eigenschaften verleihen. So kann z.B. aus der Apfelsorte "Topaz" mit der Unterlage "A2" ein rasch wüchsiger robuster Baum heranwachsen, der mehrere Generationen einer Familie begleitet. Kombiniert man "Topaz" dagegen mit der Unterlage "M9" wächst der Baum langsam, trägt sehr früh Früchte, ist aber bereits nach 20 bis 25 Jahren erschöpft.
Abgesehen von der Unterlage bestimmt der Schnitt, wie viel Platz ein Baum braucht. Besonders geeignet für kleine Gärten sind Spalierbäume: Sie eignen sich gut als Abgrenzung des (Gemüse-)Gartens und nehmen kaum mehr Platz als ein Zaun in Anspruch. So wird mein 32 m² großer Gemüsegarten von je zwei Pfirsich- und zwei Apfelspalieren sowie einem Weinstock und einem Quittenspalier eingerahmt. Die Erträge sind nicht so reich wie bei klassischen Obstbäumen, was aber für unseren kleinen Haushalt von Vorteil ist: Jedes Spalier liefert ca. 10 bis 20 kg Früchte, was unseren Bedarf an frischem Obst reichlich deckt. Zum Einmachen bleiben allerdings, wenn überhaupt, nur eine kleine Mengen übrig.
Zugegeben: Obstspaliere wirken sehr kunstvoll und sehen nach richtig viel Arbeit aus. Viele Gärtner trauen sich die eigene Erziehung eines Spaliers nicht zu. Doch das ist völlig unbegründet. Für ein Spalier müssen wir zwar etwas häufiger zur Schere greifen, aber die Pflege eines Obstspaliers ist trotzdem noch bedeutend einfacher als die Pflege von Salat! Alles was wir brauchen, ist eine gute Anleitung, sprich: Ein gutes Buch über Obstbaumschnitt. Die Anleitungen für die jeweiligen Obstarten sind nur wenige Seiten lang und die Umsetzung ist nicht weiter schwer. Wirklich! Für mich ist die Anwendung der Schnittregeln für Spalierobst deutlich einfacher als die Inbetriebnahme eines Handys!
Wer sich trotz allem den Obstbaumschnitt ersparen will, kann auf Säulenobst ausweichen. Mittlerweile werden fast alle Baumobstarten als Säule angeboten. Wie der Name schon richtig vermuten lässt, wächst Säulenobst hauptsächlich in die Höhe. Die Früchte hängen entweder direkt am Stamm oder wachsen an sehr kurzen, ca. 10 cm langen Seitentrieben. Diese Bäume sind so gezüchtet, dass sie nur langsam wachsen. Für genug Belichtung ist durch die Säulenform automatisch gesorgt. Die Säulen bringen also ganz ohne Schnitt eine gute Ernte.